Blumen lockt sie aus den Keimen..

„Freude schöner Götterfunken..“

Viele kennen von der Ode an die Freude nur die paar Textzeilen aus der Europahymne (4. Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven). Nur wenige kennen den Originaltext von Friedrich von Schiller. Für alle, die meinen, die deutsche Sprache sei etwas gefühlskalt, und weil Brüderlichkeit in Zeiten persönlicher und nationaler Abschottung ein aktuelles Thema ist, hier das Gedicht Ode an die Freude zum Anhören und Mitlesen:

Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elisium,

Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligthum.

Deine Zauber binden wieder, was der Mode Schwerth getheilt;

Bettler werden Fürstenbrüder, wo dein sanfter Flügel weilt.

Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!

Brüder – über’m Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen.

Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu seyn;

wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein!

Ja – wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund!

Und wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund!

Was den großen Ring bewohnet, huldige der Sympathie!

Zu den Sternen leitet sie, Wo der Unbekannte thronet.

Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur,

Alle Guten, alle Bösen folgen ihrer Rosenspur.

Küsse gab sie uns und Reben, einen Freund, geprüft im Tod.

Wollust ward dem Wurm gegeben, und der Cherub steht vor Gott.

Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahnest du den Schöpfer, Welt?

Such ihn überm Sternenzelt, über Sternen muss er wohnen.

Freude heißt die starke Feder in der ewigen Natur.

Freude, Freude treibt die Räder in der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen, Sonnen aus dem Firmament,

Sphären rollt sie in den Räumen, die des Sehers Rohr nicht kennt.

Froh, wie seine Sonnen fliegen, durch des Himmels prächt’gen Plan,

laufet, Brüder, eure Bahn, freudig wie ein Held zum Siegen.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel lächelt sie den Forscher an.

Zu der Tugend steilem Hügel leitet sie des Dulders Bahn.

Auf des Glaubens Sonnenberge sieht man ihre Fahnen wehn,

Durch den Riss gesprengter Särge sie im Chor der Engel stehn.

Duldet mutig, Millionen! Duldet für die bessre Welt!

Droben überm Sternenzelt wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten, schön ists, ihnen gleich zu sein.

Gram und Armut soll sich melden, mit den Frohen sich erfreun.

Groll und Rache sei vergessen, unserm Todfeind sei verziehn,

Keine Träne soll ihn pressen, keine Reue nage ihn.

Unser Schuldbuch sei vernichtet, ausgesöhnt die ganze Welt!

Brüder- überm Sternenzelt richtet Gott, wie wir gerichtet.

Freude sprudelt in Pokalen, in der Traube goldnem Blut

trinken Sanftmut Kannibalen, die Verzweiflung Heldenmut —

Brüder, fliegt von euren Sitzen, wenn der volle Römer kreist,

Lasst den Schaum zum Himmel sprützen: Dieses Glas dem guten Geist.

Den der Sterne Wirbel loben, den des Seraphs Hymne preist,

Dieses Glas dem guten Geist überm Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden, Hülfe, wo die Unschuld weint,

Ewigkeit geschwornen Eiden, Wahrheit gegen Freund und Feind,

Männerstolz vor Königsthronen, Brüder, gält es Gut und Blut, –

Dem Verdienste seine Kronen, Untergang der Lügenbrut!

Schließt den heilgen Zirkel dichter, schwört bei diesem goldnen Wein:

Dem Gelübde treu zu sein, schwört es bei dem Sternenrichter!

Rettung von Tyrannenketten, Großmut auch dem Bösewicht,

Hoffnung auf den Sterbebetten,  Gnade auf dem Hochgericht!

Auch die Toten sollen leben! Brüder trinkt und stimmet ein,

Allen Sündern soll vergeben, und die Hölle nicht mehr seyn.

Eine heitre Abschiedsstunde! Süßen Schlaf im Leichentuch!

Brüder – einen sanften Spruch aus des Totenrichters Munde!

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Eine Antwort zu Blumen lockt sie aus den Keimen..

  1. beleuchtungen schreibt:

    Ja Brüder waren wir hat Reinhard Fendrich gut bearbeitet.

    Ja Brüder waren wir immer, wenn dieser Hass doch nur durch Liebe ersetzt werden kann….Weltenaufgang….

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